Reizoffenheit und Aufmerksamkeitsmangel

Was bedeuten diese Worte für Ihr Kind oder auch für Sie selbst? Die meisten Menschen sind in der Lage, Reize, die auf sie einströmen, zu sortieren, indem sie einen nicht willentlich eingeschalteten Filter benutzen, um zu unterscheiden, welche Reizwahrnehmung sie zulassen und welche sie unterdrücken. Von der Aufmerksamkeitsstörung Betroffene können nicht unbewusst unterscheiden, welche Reize dem bewussten Denken zugeführt werden und welche als störend registriert und deshalb unterdrückt werden. Was bedeutet dies für das tägliche Leben? Es gibt eine Fernsehreklame, die für den leisen Motor einer Nobelmarke wirbt, der Beifahrer stellt sein Hörgerät immer lauter, weil er glaubt, dieses sei defekt, da er das Motorengeräusch nicht hören kann. Als der Fahrer spricht, dröhnt ihm das erste Wort ins Ohr; so ähnlich geht es den Betroffenen. Jeder Reiz, sei er noch so klein, trifft ihn voll, ein vorgeschalteter Filter schützt ihn nicht. Dies gilt nicht nur für Hörreize, sondern auch für Sehreize, Geruchsreize und wahrscheinlich auch Berührungsreize.

Die schreienden Babies, die sich nicht durch intensive Körpernähe und Wärme beruhigen lassen, sind ein Beispiel dafür. Sie reagieren mit Abwehr und intensiverem Schreien, weil ihnen die angebotene Nähe zuviel ist. Ebenfalls von der Störung betroffene Mütter können oft nicht gelassen auf ihre Kinder eingehen, die Unruhe der Mutter überträgt sich dann verstärkend auf das Kind. Für das Schulkind gilt, dass jede Bewegung im Klassenraum von der eigentlichen Tätigkeit ablenkt – der neue Sinneseindruck ist in diesem Moment wichtiger. Lehrer beschreiben diese Beobachtung als ein Zerstreutsein, sie fühlen sich nicht wichtig genommen, weil beispielsweise die Schneeflocken vor dem Fenster für das Kind interessanter sind als der Unterrichtsstoff in der Klasse. Der Lehrer zieht aus der richtigen Wahrnehmung den falschen Schluss; er glaubt, dass dem Kind der Unterricht egal sei, er kann nicht nachvollziehen, dass das Kind von jedem neuen Reiz magisch angezogen wird.

Dieses Phänomen der Ablenkbarkeit durch neue Reize kann von einem anderen Verhalten abgelöst werden, das zu Verwirrung beim Beobachter führt. Wenn sich betroffene Kinder für eine Aufgabe oder ein Wissensgebiet besonders interessieren, dann können sie ihre ganze Aufmerksamkeit nur noch auf diese spannende Arbeit richten, sie fahren alle Antennen ein und sind durch Reize von außen nicht mehr erreichbar. Dieser Wechsel zwischen starker Ablenkbarkeit und höchster Konzentration führt zu sehr unterschiedlichen Leistungen in der Schule. Im späteren Leben können diese Menschen bei selbst gewählten Tätigkeiten durchaus Höchstleistungen vollbringen; unter Wissenschaftlern sind sicher häufiger Menschen, die von dieser Neurotransmitterstörung betroffen sind, das prominenteste Beispiel dürfte Albert Einstein sein. Dieser Wechsel in der Leistungsfähigkeit führt beim Beobachter zu der Überzeugung: Das Kind will nur nicht richtig, man sieht ja, dass es kann!

Die Regelung der Motivation scheint von vielen Bedingungen abzuhängen, die nur bei größter Selbstdisziplin in gewissem Maß zu beeinflussen ist. Es gibt wesentliche neurochemische Einflüsse auf die Fähigkeit, eine Arbeit aufzunehmen und durchzuführen. Je nachdem, ob der Betroffene ein eher lebhafter, begeisterungsfähiger oder ein ruhiger, abwartender Mensch ist, wird das Leben aus einer Aneinanderreihung von unfertigen Projekten oder aus einer lebenslangen Vermeidung von Herausforderungen bestehen. Beiden gemeinsam ist das „Talent“, ihre vorhandenen Fähigkeiten nicht entsprechend zu nutzen. Andererseits kennen wir sehr aktive und erfolgreiche Menschen aus dieser Gruppe; es gibt aber auch die eher stillen Betroffenen, die unerwartet große Leistungen vollbringen, weil sie ihr ganzes Interesse der Erforschung einer vielleicht ausgefallenen Fragestellung gewidmet haben.

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